Platzhalter
Tonrelief vor dem Detlefsengymnasium Glückstadt
Von Mai 2000 bis Februar 2021 entstand mitten im Lockdown,
in einer auch während der Sommer- und Herbstferien durchgehend
geöffneten Werkstatt, ein aus 340 Einzelmotiven zusammengesetztes
Tonrelief für den Platz am Haupteingang des Detlefsengymnasiums.
60 TeilnehmerInnen arbeiteten unter den gegebenen Beschränkungen
mit 12 Tonsorten sowie dezenten Oxydfarben, Engoben und Glasuren.
Thematisch und formal galt es, ein möglichst weites Spektrum
an individuellen erzählerischen, spuren- und zeichenhaften Oberflächen
und Volumina zu erschaffen. Diese vielfältige Sammlung ergibt ein Display
mit vielen Leserichtungen und Bedeutungsebenen.
Der Begriff Platzhalter ist gebräuchlich für provisorische Lösungen, für
Stellvertreter, die einen Übergang in etwas Kommendes markieren.
Während der Aspekt der Dauer beim Platzhalter meist unbestimmt bleibt,
ist der Ort fixiert. Ein Platzhalter steht damit für das Behaupten und
Freihalten eines Potenzials. In ihm vereinen sich Gegenwart und Zukunft.
„De upsteiht, de sien Stee vergeiht“ („Aufgestanden, Platz vergangen“) ist
ein vor allem von Kindern bei Stuhlspielen verwendetes Sprichwort.
Wie der Begriff Platzhalter zeugt es vom Potenzial des Platzes als Besitz,
dessen Anspruch nie von Dauer sein kann. In ihm schwingt ebenso die
Gegenwart eines Anderen mit, der es auf den Platz abgesehen haben
könnte. Verfügbarkeit und Verlust von Plätzen lassen sich auch im Kontext
des öffentlichen Raums verstehen. Somit wird der Ort vor der Schule selbst
zum Thema der künstlerischen Planung.
Bezogen auf die Institution Schule schwingen anekdotische und
melancholische Untertöne mit: Es gilt, seinen Platz zu finden, Sitzordnungen
sollen soziale Gefüge erzeugen, der Stuhl wird einem unterm Hintern
weggezogen, es gilt, sich durchzusetzen, Probleme auszusitzen, Zeit
abzusitzen und am Ende Anderen Platz zu machen. Und immer ist man
nur einer von vielen, die Plätze für Lebenszeit tauschen. Was bleibt von
mir an diesem Ort, was prägte er mir ein? Viele Generationen werden hier
ankommen und weiter ziehen.
Konzept & Planung: Vincent Schubarth
Leitung: Anja Riedel, Gerhard Bauhaus & Vincent Schubarth,
Initiator: Hartmut Appel